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Beeinflussung der Muskelspannung

stefaneidelloth edited this page Dec 22, 2018 · 43 revisions

Table of Contents

Prinzipielle Möglichkeiten

Nach dem Modell der gekoppelten Regelkreise haben wir mehrere Möglichkeiten, um die Muskelspannung zu beeinflussen:

1. Beeinflussung der motorischen Steuersignale, die von den α-Neuronen im Rückenmark an die Muskelfasern gesendet werden, um diese kontrahieren zu lassen.

2. Beeinflussung der Rückmeldung der Muskelspindeln des Agonisten zum α-Neuron des Agonisten (Dehnungsreflex). Übers α-Neuron erfolgt dann 1.

3. Beeinflussung der Rückmeldung der Muskelspindeln des Antagonisten zum α-Neuron des Agonisten (Reziproke Hemmung). Übers α-Neuron erfolgt dann 1.

4. Beeinflussung des Sollwerts, der von γ-Neuronen im Rückenmark zu den Muskelspindeln übertragen wird. Über den Einfluss auf die Ausgangssignale der Muskelspindel erfolgt dann 2.

5. Beeinflussung der Rückmeldung der Golgi-Sehnenorgane des Agonisten zum α-Neuron des Agonisten (Autogene Hemmung). Übers α-Neuron erfolgt dann 1.

6. Beeinflussung der Rückmeldung der Golgi-Sehnenorgane des Antagonisten zum α-Neuron des Agonisten (Reziproke Verstärkung)). Übers α-Neuron erfolgt dann 1.

7. Beeinflussung der Renshaw-Hemmung des α-Neurons des Agonisten durch übergeordente Anteile des Nervensystems. Übers α-Neuron erfolgt dann 1.

8. Beeinflussung der α-γ-Coaktivierung durch Fremdreflexe. Darüber 2. und 1. 8a) Reiz auf gleicher Körperseite 8b) Reiz auf gegenüberliegender Körperseite

9. Beeinflussung der α-γ-Coaktivierung durch willkürliche Bewegungen. Darüber 2. und 1.

Abhängigkeit von Ruhespannung

Die Wirkung einer Massage auf einen Muskel ist nicht immer die gleiche, sondern hängt vom Ausgangszustand ab.

a) Bei Massage eines gesunden Muskels mit normalem Ruhetonus wird der Tonus nicht beeinflusst. Die Massage bahnt die Eigenreflexe und führt damit zur Erleichterung harmonischer Willkürbewegungen. Da Muskelmassage den Eigenreflexapparat direkt reizt, ist die Wirkung intensiver als bei alleinigem Hautreiz. Die Massage von Sportlern vor Wettkämpfen hat einen leistungssteigernden Effekt.

b) Bei Massage eines Muskels mit niedrigem Tonus wird der Tonus gesteigert.

1. Durch Dehnung der Museklspindeln wird auch hier die Willkührbewegung gebahnt. Bei zu niedrigem Tonus sind die Meldungen der γ-Nerven behindert und dadurch vermindert. Die durch Massage vermittelte passive Dehnung wirkt auf die Muskelspindeln und bewirkt eine Tonuserhöhung über den Reflexbogen. "Am hypotonen Muskel täuscht die passive Dehnung Impulse der γ-Neuronen vor."

2. Schmerzreize haben einen hemmenden Effekt auf die γ-Neuronen. Durch Massage wird die Durchblutung verbessert. Dies hebt die Schmerzreizschwelle und vermindert die hemmenden Effekte auf die γ-Neuronen. Dadurch fließen den Muskelspindeln wieder mehr Signale aus dem gesamten Nervensystem zu, was über den kleinen Regelkreis wiederum den Muskeltonus erhöht. Damit kann man einen anhaltend erhöhten Muskeltonus nach einer Massage erklären.

Nur bei häufiger Wiederholung, mindestens einmal pro Tag, kann Massage den normalen Tonus wiederherstellen. Von Massage zu Massage wird der Tonus immer etwas mehr angehoben. Sind die Abstände zu groß, gewinnen die hemmenden Signale (z. B. durch schmerzende Gelenke mit Arthrose) wieder Oberhand.

c) Bei Massage eines Muskels mit erhöhtem Tonus wird der Tonus herabgesetzt.

1. Wir stellen uns vor, dass einer Muskelspindel ohne Willkührbewegung ständig Erregungen zufließen. Dies geschieht so häufig, dass die äußeren Bereiche der Muskelspindeln ständig maximal kontrahiert sind. Über den kleinen Regelkreis werden die Muskelfasern zu erhöhtem Muskeltonus veranlasst. Willkürbewegungen sind gehemmt. Eine mögliche Erklärung für die Wirkung der Massage ist dann, dass passive Dehnung die Kontraktion der Muskelspindel durchbricht. Der innere Bereich der Muskelspindeln ist danach nicht mehr gedehnt. So wurde der Sollwert verändert und über den reduzierten Eigenreflex lässt die Muskelspannung plötzlich nach. Dies lässt sich z. B. auch bei einem Wadenkrampf beobachten. Er wird durch Dehnung plötzlich aufgelöst. Damit verschwindet auch die Hemmung von Willkürbewegungen.

2. Reize aus erkrankten Stellen des Körpers (z. B. Gelenk mit Arthrose) können Signale an γ-Neuronen nicht nur hemmen sondern manchmal auch verstärken. Die Signale wirken so, dass sie insgesamt Bewegungsmuster hemmen, die zu einer erhöhten Belasung führen würden. Bei einer Hüftarthrose steigt z. B. die Spannung der Muskeln die nach innen drehen und es sinkt die Spannung der Muskeln die nach außen drehen. Die Massage führt zu einer Mehrdurchblutung, die die Erregbarkeit senkt. Dadurch nehmen die Signale an die γ-Neuronen ab und über den reduzierten Eigenreflex sinkt die Muskelspannung. Eine verbesserte Durchblutung kann auch mit Vibration des Muskels erreicht werden, die Kapilaren erweitert.

3. Eine Vibration von Muskelansätzen erregt die Golgi-Sehnenorgane und kann den Muskeltonus über Autogene Hemmung senken.




Muskelspindeln außerhalb ihres Messbereiches

Beim Dehnungsreflex wurde bereits beschrieben, dass Muskelspindeln in dauerhaft angespannter Muskulatur aus ihren Messbereich gelangen können. Die Muskelspannung kann dann nicht über die Muskelspindeln beeinflusst werden und der Dehnungsreflex funktioniert nicht mehr. Die erhöhte Muskelspannung ist also durch Muskelspindeln zunächst nicht beeinflussbar. Nach Bernd Muschinsky wird folgendes Vorgehen empfohlen:

1. Weiche Sehnendehnung, um über den Mechanismus der Autogenen Hemmung die übersteigerten Signale der α-Neurone zu blockieren.

2. Beeinflussung des vegetativen Nervensystems durch Ausstreichungen, weiche Muskeldehnungen und Vibrationen. Eine Hemmung der α- und γ-Neuronen führt eine gewisse Muskelentspannung herbei (siehe auch Vagotonie).

3. Dehnung der Muskelspindeln durch dosiert verstärkte Handgriffe, insbesondere Fingerspitzenknetung und Klopfen. Dadurch Wiederaufnahme der Regulation der Muskelspannung über die γ-Neuronen.

Die Dosierung der Petrissage ist sowohl während einer einzelnen Massage als auch während einer Folge von Massagen zu variieren und langsam zu steigern. Oft kommt es nach der dritten oder vierten Massage zu einer Schmerzreaktion, die durchaus erwünscht sein kann, dem sogenannten Wohlweh. Unbedingt zu vermeiden sind jedoch Dauerschmerzen während einer Massage.

Bei einem Muskelkrampf wird die Muskulatur zunächst in Entspannungs- und Dehnlage gebracht, also in Schonstellung. Dann wird sie mit Eis versorgt und vorsichtig in der Gegenrichtung des Krampfes passiv gedehnt. Durch die Autogene Hemmung lässt die Muskelkontraktion nach. Weiche Knetungen und Schüttelungen werden angeschlossen, um die Regulation der Muskelspannung zu aktivieren.






Erhöhung der Muskelspannung

Die Steigerung des Tonus ist möglich durch stärkere und intensivere Techniken wie Kneten oder Klopfen und wird z.B. als Vorbereitung für sportliche Aktivitäten genutzt.Die Stimulation der Muskelspindeln durch kurze und aggressive Reize löst in der Regel eine Muskelkontraktion aus.

Die Erhöhung des Muskeltonus durch direkte Einwirkung auf die Muskelspindeln (hypoton, Atonie=>normoton=>hyperton, Tonus) ist leichter zu verstehen als die Erniedrigung des Tonus. Deshalb betrachten wir sie zuerst.

Eine erhöhte Muselspannung kann z. B. bei Sportlern gewünscht sein, die höhere Leistungen vollbringen möchten, siehe auch https://www.youtube.com/watch?v=oNxfEObvBdQ

Eine Erhöhung des Musekltonus lässt sich durch einen Wechsel von passiver Dehnung zu aktiver Kontraktion erzielen. Durch schnelle und kräftige Dehnung werden die Muskelspindeln aktiviert. Die Spindeln senden Signale zum Rückenmark (Beeinflussung II) und über den Eigenreflexbogen wird eine Kontraktion des Muskels ausgelöst. (Die Kontraktion des Gegenmuskels wird gehemmt.)

Durch eine willentliche Kontraktion (Beeinflussung III) wird der Spannungszustand des Muskels zusätzlich erhöht und die Muskulatur noch stärker trainiert.

Der passende Reiz für die Muskelspindeln ist Dehnung, die bei der Massage z. B. durch Knetung oder Klopfen erzielt wird. Menschen mit Bewegungseinschränkung können die erforderliche Dehnung manchmal nicht mehr erreichen, indem sie ihre Gelenke bewegen. Durch die Einwirkung äüßerer Kräfte während einer Massage kann die Dehnung dann doch noch erzielt werden.

Eine Beeinflussung hin zu einem höheren Tonus lässt sich lässt sich neben Massage z. B. auch durch Kälte (Beeinflusssung I) erzielen. Eine Beeinflussung des vegetativen Nervensystems, z. B. durch Körperhaltung, körperliche Anstrengung, Schlaf, Ess- und Trinkgewohnheiten, Medikamente usw. ... wirkt sich meist auch auf den Sollwert für den Muskeltonus aus.

Beim erschlafften Muskel sind die Golgi-Sehnenorgane entspannt und die Muskelspindeln inaktiv. Die Aufgabe ist hier, die Muskelspindeln durch gezielte, tiefgreifende, manuelle Maßnahmen zu dehnen, die "Feuerung" auszulösen und durch gleichsinnige Erregung der der α- und γ-Neuronen eine erhöhte Spannung und Kontraktionsbereitschaft der Muskulatur herbeizuführen.

Absenkung der Muskelspannung

Das Senken des Tonus ist möglich durch rhythmische Dehnung der Muskelspindeln oder rhythmische Kompression. Des Weiteren trägt die Schmerzhemmung durch Massage zu einer Muskeltonussenkung bei. Über die Wirkung auf das limbische System und die Formatio reticularis setzt ein Gefühl der Entspannung ein.

Wenn wir die Muskelspannung absenken möchten sind die oben genannten Möglichkeiten kontraproduktiv. Der schlimmste Fall wäre etwa, einen kalten Muskel bei den ersten Massagegriffen mit kräftiger Dehnung in Form von massiver Knetung oder Schlägen zu überfallen. Schon über die Sensibilität der Haut würde sich eher eine Abwehrspannung als die gewünschte Erschlaffung einstellen.

Zur Abseknkung der Muskelspannung tragen mehrere Faktoren bei, z. B. Hautfremdreflex, Muskeleigenreflex, Blutzirkulationsanregung und sich wiederholende Reize.

Besonders zu Beginn einer Massage kann der ständige Wechsel zwischen zwei Reflexen zur Absenkung der Muskelspannung genutzt werden:

  • Hautfremdreflex
  • Muskeleigenreflex
Manchmal ist schon der reine Hautreflex genug, um einen Muskelhartspann positiv zu beeinflussen. Das Ausstreichen ist bei hoher Muskelspannung besonders wichtig. Die Bindegewebsmassage macht sich auch gezielt den Hautfremdreflex zu nutze. Wenn zu Beginn der Massage das Ausstreichen ernst genommen wird, werden gegen Ende der Massage intensivere Knetgriffe zur Anregung der Blutzirkulation besser toleriert.

Pandiculation

https://www.youtube.com/watch?v=hQlbqdfbD7o

Gewöhnung von Sensoren

Ein konstanter, gleichmäßig mechanisch ausgeübter Druck ruft eine Gewöhnung (Adaption) der Sensoren (Mechanorezeptoren) hervor. Wenn man das Nervensystem nicht nur kurze Zeit reizen möchte, sollten daher die Steilheit der Fingerstellung, die Intensität, die Geschwindigkeit, die zeitliche Dauer bzw. Frequenz und die Flächenausdehnung von Massagehandgriffen variiert werden.


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