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Auslöser vs. Ursache von Gefühlen

stefaneidelloth edited this page May 5, 2021 · 15 revisions

Prozessarbeit


Bei der GFK wird angenommen/definiert dass die Ursache oder Quelle eigener Gefühlen immer die eigenen Bedürfnisse sind. Ein eigenes Bedürfnis wird erfüllt oder nicht erfüllt und deshalb treten Gefühle auf. Wenn ich keine Bedürfnisse hätte, dann hätte ich auch keine Gefühle (und wäre nicht mehr am Leben...). Die Ursache für ein Gefühl liegt demnach immer in mir selbst. (Aus einem anderen Blickwinkel betrachtet kann man diese Erklärung auch als eine Definition des Begriffes "Bedürfnis" in der GFK betrachten.)


Bildquelle:
https://openclipart.org/detail/185039/little-red-slot-machine

Der Anlass oder Auslöser für ein Gefühl kann dagegen auch außerhalb von mir liegen. Wenn jemand zu mir sagt "Du bist blöd." kann mich das z. B. darauf aufmerksam machen, dass in der Situation mein Bedürfnis nach Wertschätzung nicht erfüllt ist. Wären meine Bedürfnisse nach Wertschätzung/Selbstwert usw. vollkommen erfüllt, würde ich den Satz "Du bist blöd" vermutlich anders hören. Dann könnte ich mich etwa fragen "Ist die Person, die das sagt, vielleicht gerade enttäuscht weil sie ein andere Perspektive hat und meine noch nicht verstehen konnte?" siehe auch Vier Möglichkeiten.

Die Beobachtung, dass unterschiedliche Menschen in der gleichen Situation unterschiedliche Gefühle haben, legt die Idee nahe, dass niemand in mir Gefühle kreieren kann und dass ich die Verantworung für meine Gefühle trage.

Für den Umgang mit Gefühlen bei inneren Prozessen ist der Unterschied zwischen Anlass und Ursache sehr wichtig.

Leider werden die beiden in unserer Alltagssprache manchmal stark vermischt. Wenn ich z. B. sage "Ich fühle mich verlassen", dann sagt das eigentlich nicht direkt etwas über meine Gefühle aus. Laut der GFK-Definition ist "verlassen" selbst kein Gefühl, auch wenn es vielleicht gesagt wird, um Gefühle auszudrücken, z.B. Schmerz, Trauer und/oder Einsamkeit.

Mit dem Satz "Ich fühle mich verlassen" möchte ich aber ja vielleicht auch sagen, dass ich mich darüber freue, dass mein Bedürfnis nach Ruhe erfüllt ist, da eine bestimmte Person gerade den Raum verlassen hat. ;)

Der Satz "Meine Freundin fliegt gerade für ein Auslandssemester nach Australien und ich bin traurig, weil mein Bedürfnis nach Nähe nicht erfüllt ist." drückt Gefühle und Bedürfnisse explizit aus. Es braucht nicht geraden werden, was ich vielleicht mit "Ich fühle mich verlassen." meine.

  • Der Anlass ist der Ortswechsel der Freundin.
  • Das Gefühl ist Traurigkeit und
  • die Ursache ist das unerfüllte Bedürfnis nach Nähe.
Sätze wie "Ich fühle mich verlassen/unterdrückt/..." können manchmal Gedanken und Diagnosen über eine Person ausdrücken, wie etwa "Die andere Person trägt die Verantwortung dafür, dass es mir gerade nicht gut geht. Sie ist total böse. Sie erzeugt durch ihre Handlung ja schließlich dieses unangenehme Gefühl in mir." "Da ist das Täter-Opfer-Modell mit drin". Durch das Überlassen/Abgeben der Verantwortung für die Gefühle ensteht eine Art Abhängigkeit und eine Einschränkung meiner Möglichkeiten.

Bei der expliziten Nennung der Gefühle übernehme ich (eher) die Verantworung für meine Gefühle und Bedürfnisse. Das gibt mir die Möglichkeit und die Macht mich um meine Bedürfnisse zu kümmern. Ich kann alternative Strategien suchen um die Bedürfnisse zu erfüllen, komme ins Handeln statt in die Ohnmacht (z. B. etwas mit anderen Freunden zu unternehmen, zweimal am Tag mit der Freundin telefonieren, etc. ).

Bei der Vorstellung dieses Modells kommt es manchmal zu Diskussionen über Sonderfälle, wie "Jemand kann auf jeden Fall Gefühle in mir erzeugen, z. B. Schmerz, indem mich jemand mit einer Nadel sticht.". Darauf liese sich etwa antworten "Wenn du kein Bedürfnis nach körperlicher Unversehrtheit oder kein Nervensystem besitzen würdest... würdest du keinen Schmerz wahrnehmen." Vielleicht ist das dann irgendwann eine philosophische Frage oder Ansichtssache. Das Ergebnis einer solchen Diskussion halte ich allerdings für die Nützlichkeit des Modells im Alltag nicht für entscheidend.

Unabhängig davon, welche Begriffe (Gefühl, Emotion, Ursache, Wirkung, Auslöser, Anlass, Verantworung, ...) für dich stimmig sind, hoffe ich, dass sowohl der Unterschied zwischen Auslöser und Ursache als auch die Schönheit/das Potential in dieser Unterscheidung klar geworden sind.


Gefühle wahrnehmen
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