Simulation der diffusionsbedingten Medikamentenfreisetzung aus Nanopharmazeutika auf Polymerbasis unter Berücksichtigung der Matrixdegradation
Dieser Arbeit liegt ein Experiment zugrunde, das die Freisetzungskurve des Wirkstoffs Gentamicin (GM), der
in eine Medikamentenmatrix eingebettet wurde, bestimmt.
Dazu wurde ein Python3-Quelltext entwickelt, der mit Hilfe von FEniCS Legacy das 15-wöchige Experiment innerhalb ca. einer halben Stunde mit einem Bestimmtheitsmaß von
Die Simulation lässt sich durch folgende Konsoleneingabe starten:
python3 main.py
Untenstehende Abbildung 1 illustriert den Ablauf des Python-Quelltexts. In paramaters_units.py sind die Material- und Geometrieparameter in einheitenbehafteter Darstellung sowie die Referenzparameter zur Überführung dieser in die einheitenlose Form hinterlegt.
Abb. 1: Programmablaufplan des Quelltexts.Diese einheitenlosen Parameter werden in parameters.py, neben weiteren Hilfsparametern, gespeichert und zusammen an main.py übergeben. Dort kann der Nutzer folgende Menuwahl (siehe menu.py) treffen:
- Simulation des physikalischen Modells (vgl. Kapitel 5.2)
- Inverse Analyse (vgl. Kapitel 5.7)
- Konvergenzanalyse (vgl. Kapitel 5.4)
Im Fall einer Simulation des physikalischen Modells wird an model.py übergeben. Wählt der Nutzer eine Konvergenzanalyse, greift convergence_analysis.py. Hier kann zwischen einer Optimierung für den Diffusionskoeffizenten
Alle oben genannten, möglichen Programmabläufe verwenden im letzten Schritt das physikalische Modell, siehe Abbildung 1. Abbildung 2 verdeutlicht daher den Aufbau der Implementierung des in dieser Arbeit präsentierten physikalischen Modells, siehe Kapitel 5.2 und 5.3.
Abb. 2: Programmablaufplan der Implementierung des räumlich und zeitlich diskretisierten physikalischen Modells.Im Zentrum steht der Quelltext model.py. Darüber hinaus findet sich die Implementierung der konstanten bzw. parabelförmigen Startkonzentrationsverteilung
model.py bekommt u_0.py, source_term.py, surrounding_solution.py, mesh_domains_boundaries.py, boundary_conditions.py und den aus Übersichtsgründen nicht dargestellten Quelltext degradation.py (vgl. Kapitel 5.2.2) als Input übergeben.
Daraufhin wird die homogene Diffusionsgleichung (vgl. Kapitel 5.2.1 mit Hilfe von solver_Euler.py für
Als Output gibt model.py die numerisch bestimmte Freisetzungskurve
An dieser Stelle wird das von [Macha et al., 2019] durchgeführte Experiment zur Bestimmung der Freisetzungskurve des Wirkstoffs Gentamicin (GM), der in eine Medikamentenmatrix eingebettet wurde, kurz vorgestellt.
GM diffundiert während des Experiments aus der Medikamentenmatrix
Diese gerollten Streifen, die zuvor mit einem GM-Massenanteil von 10 % versehen wurden, werden zusammen mit der Umgebungslösung
Durch dieses Experiments wird die Freisetzung
definiert ist.
Zwischen den gemessenen Datenpunkten wird linear interpoliert.
Im Rahmen der Arbeit wird ein computergestützes Modell (in silico) präsentiert, dass das entsprechende Reagenzglas-Experiment (in vitro) mit einem Bestimmtheitsmaß von
- I. Stoßartige Freisetzung (1. Woche)
- II. Geminderte Freisetzung (2. - 3. Woche)
- III. Stagnation (4. - 5. Woche)
- IV. Matrixbruch (6. - 7. Woche)
- V. Restfreisetzung (8. - 15. Woche)
Zunächst wird der Einfluss der Wirkstoffpartikel, die sich zu Beginn auf der Matrixoberfläche befinden, auf die stoßartige Freisetzung während der ersten Woche untersucht und als vernachlässigbar eingestuft. Ebenfalls wird der Einfluss einer konstanten bzw. parabelförmigen Wirkstoffverteilung über den Matrixquerschnitt betrachtet. Dass eine parabelförmige Wirkstoffverteilung die stoßartige Wirkstofffreisetzung während der ersten Woche durch die hohe Wirkstoffkonzentration im randnahen Bereich besser prädikiert, bestätigt sich nicht. Die bereits in der Literatur vorzufindende Annahme einer konstanten Wirkstoffverteilung wird für weitere Untersuchungen empfohlen. Darüber hinaus wird die von [Macha et al., 2019] vorgestellte Robin-Randbedingung um einen weiteren Fall ergänzt. Neben dem Sättigungsfall, der die Modellierung der geminderten und darauffolgenden stagnierenden Wirkstofffreisetzung ermöglicht, wird die Randbedigung um den Fall des Matrixbruchs ergänzt. Dabei wird zum Zeitpunkt des Matrixbruchs der Materialtransferkoeffizient der Robin-Randbedingung schlagartig erhöht. Dazu wird ein Matrixdegradationsmodell entworfen, dass den Zerfall der Matrix in Abhängigkeit von der Wirkstoffkonzentration innerhalb der Matrix modelliert. Je mehr Wirkstoff aus der Matrix herausdiffuniert, um so höher ist die Matrixdegradation. Das Modell prognostiziert den Zeitpunkt der stark ansteigenden Wirkstofffreisetzung erfolgreich, jedoch wird die vorherige Stagnation zwischen der vierten und fünften unterprädiktiert.
Die oben genannten Abläufe werden zu einem Gesamtmodell zusammengefasst und mit Hilfe der Finiten-Elemente-Methode durch das Programm FEniCS Legacy berechnet. Dazu wird das Modell, basierend auf der allgemeinen Diffusionsgleichung, in die schwache Form überführt und zeitlich sowie räumlich diskretisiert. Die zeitliche Diskretisierung erfolgt mit Hilfe eines adaptiven Crank-Nicolson-Verfahrens. Für die ersten Zeitschritte wird zusätzlich die explizite Euler-Methode implementiert, um Schwingungen der Lösung aufgrund der Unstetigkeit zwischen Randbedingung und Startbedingung zu vermeiden. Die Symmetrien der zylinderförmigen Matrix werden genutzt, wodurch die räumliche Disrektisierung durch eindimensionale Linienelemente über den Matrixradius verwirklicht werden kann. Daraufhin wird die zeitliche und räumliche Diskretisierung mit Hilfe der Method of Manufactured Solutions, dem diesbezüglichen Goldstandard, überprüft.
Abschließend wird eine inverse Analyse durchgeführt, womit sich der Diffusionskoeffizient des Wirkstoffs, der Stoffübergangskoeffizient, die kritische Matrixdegradation, die zum Bruch führt, eine für die Degradation spezifische Konstante und die durch den Bruch erhöhte Matrixoberfläche bestimmen lässt. Durch Implementierung dieser Parameter in das hier vorgestellte Modell, lässt sich die Wirkstofffreisetzungskurve des 15-wöchigen Experiments innerhalb von ca. 37 Minuten berechnen. So lassen sich eine Vielzahl zusätzlicher Matrixdesigns und Wirkstoffmassen berechnen ohne die Zeit und Personalkosten der jeweiligen Experimente in Kauf nehmen zu müssen. Auch ist es denkbar, technisch noch nicht umsetzbare Matrixdesigns zu simulieren und so deren Vorteilhaftigkeit offenzulegen. Auf diese Weise kann die präklinische Phase, in der solche in vitro-Experimente klassischerweise durchgeführt werden, zeitlich verkürzt, kostentechnisch optimiert und die Zulassungchancen des neuen Medikamentes erhöht werden. Die Dringlichkeit dieser Aspekte wurde der Gesellschaft nicht zuletzt durch den Coronavirus SARS-CoV-2 vor Augen geführt.
Ansatzpunkte für weiterführende Arbeiten sind die zu hoch vorausgesagte Wirkstofffreisetzung während der Stagnationphase und eine Überarbeitung des Degradationsmodells, da das hier vorgestellte keine tieferliegenden Degradationsphänomene berücksichtigt. Im Rahmen dieser Arbeit wurden zwar Degradationsmodelle, die die Oberfläche der Wirkstoffpartikel bzw. die der Hohlräume innerhalb der nanoporösen Matrix miteinbeziehen, entwickelt, jedoch aufgrund der Komplexität, die aus der entsprechenden Überführung in die Kontinuumsumgebung resultiert, auf deren Implementierung verzichtet. Darüber hinaus ist eine durch Hydrolyse modellierte Matrixdegradation ein vielversprechender Ansatzpunkt zur Entwicklung eines Modells, das die tieferliegenden Degradationsprozesse berücksichtigt. Bezüglich der überprognostizierten Wirkstofffreisetzung während der Stagnationsphase ist ein an die Degradation gekoppelter und somit ortsabhängiger Diffusionskoeffizient und eine überarbeitete Randbedingung angedacht.
Im Rahmen dieser Arbeit wurde mit Hilfe eines Octave-GNU-Quelltextes die Gentamicin-Masse, die sich auf der Medikamentenmatrix befindet, berechnet.
Dieser Quelltext hat den Namen
drug_mass_on_matrix_surface.m
und liegt im Ordner
./determination_of_drug_mass_on_matrix_surface
.
Für weitere Information ziehen Sie die README.md-Datei im selbigen Ordner zurate.